Arbeitskreis Wossidlo-Archiv der Seniorenakademie der Universität Rostock

Es begann mit einem Besuch einer Gruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Seniorenkollegs – des Vorläufers der Seniorenakademie unter der Leitung von Sylvia Rüting –im Institut für Volkskunde. Nachdem die Senioren die berühmte Zettelwand besichtigt hatten und Dr. Christoph Schmitt Leben und Werk Richard Wossidlos und die Arbeit des Wossidlo-Archivs vorgestellt hatte, entstand im Gespräch die Idee, das Potential der noch vorhandenen echten Plattsprecher unter den Senioren für die Aufarbeitung und Konservierung von Texten aus der Zettelsammlung zu nutzen. Dr. Schmitt war sofort interessiert. Die möglichen Arbeitsaufgaben waren schnell umrissen: Ausgewählte Texte bestimmter Genres sollten je nach dem Stand der Bearbeitung von der Handschrift in Druckschrift übertragen, vom Niederdeutschen ins Hochdeutsche übersetzt, in beiden Varianten in Dateien erfasst und auf Tonträger gesprochen werden. Nach einem Aufruf im Programmheft der Seniorenakademie für das Wintersemester 2000/2001 meldeten sich sofort Hörerinnen und Hörer, die gern bereit waren, für ihr geliebtes Platt ehrenamtlich Zeit und Fähigkeiten einzusetzen und gleichzeitig etwas für die Erhaltung ihrer geistigen Fitness und sozialen Kontakte zu tun. So konnte der Arbeitskreis Wossidlo-Archiv an der Rostocker Seniorenakademie mit neun Mitgliedern seine Arbeit unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Schmitt aufnehmen.

Nach der Aufarbeitung einiger ausgewählter Zettel musste das Konzept zunächst geändert werden, da der Zeitaufwand für die Vorauswahl der Zettel aus dem riesigen Bestand für eine Person zu groß war und die Empfindlichkeit der Zettel es nicht zuließ, dass sie durch mehrere Hände gingen. 2003 gelang es Dr. Schmitt, eine Förderung von der „Märchenstiftung Walter Kahn“ für das Projekt „Archivtexte – hörbar gemacht. Bearbeitung und Tonaufnahmen niederdeutscher Erzähltexte aus der mündlichen Überlieferung“ zu erwirken. Das Ziel dieses gemeinsamen Projektes des Instituts für Volkskunde und der Seniorenakademie bestand darin, plattdeutsche Archivtexte, deren Lautung in der Schrift nur unzulänglich fixiert ist, hörbar und damit für nachfolgende Generationen von Wissenschaftlern, Studenten, Lehrern und sonstigen Interessierten in ihrem Klang erlebbar zu machen. Der Umstand, dass die Mitglieder des Arbeitskreises bei den Aufnahmen ihre in der Kindheit erlernte Aussprache und ungekünstelte Vortragsweise beibehielten, macht dabei einen besonderen Reiz aus.

In den folgenden Jahren entstand auf der Grundlage der Sammlung Wossidlos eine Reihe von Tonaufnahmen niederdeutscher Erzähltexte mit Begleitpublikationen, die jeweils die niederdeutsche Textfassung, die Übersetzung ins Hochdeutsche und Quellentexte bzw. Kommentare enthalten. Die wissenschaftliche Leitung lag und liegt weiterhin bei Dr. Christoph Schmidt. Der Erlös aus dem Verkauf der CDs wurde dem Wossidlo-Archiv zur Verfügung gestellt und für die Begleichung der Druckkosten für die Begleithefte genutzt.

Bislang erschienene CDs mit Begleitheften:

  • „Plattdeutsche Märchen aus Mecklenburg (I und II)
  • „Erntebräuche in Mecklenburg“ • „Sagenhafte Geschichten aus Mecklenburg“
  • „Von Sägelschäpen in olle Tieden un von dat Läben an Buurd“ mit Auszügen aus Wossidlos Buch „Reise, Quartier, in Gottesnaam“
  • „Plattdütsch Vertellings – Gereimtes und Ungereimtes aus Mecklenburg-Vorpommern“

Der Arbeitskreis beteiligte sich aktiv an der Gestaltung des Wossidlo-Jahres. Die plattdeutsche Homepage von WossiDiA ist ebenfalls im Arbeitskreis entstanden.

Die Digitalisierung der Zettelsammlung im Rahmen des WossiDiA-Projktes ermöglicht es dem Arbeitskreis, seine ursprüngliche Zielstellung zu verwirklichen, nämlich einen Teil des wossidloschen Sammlungsgutes(de Zettels), das in einer schwer lesbaren, weil flüchtigen „schräben Schrift“ des Feldforschers Wossidlo vorliegt, zu entziffern, zu transkribieren und zusätzlich ins Hochdeutsche zu übertragen. Das gelingt nach zähem Ringen meistens, aber nicht immer.

Neben der Freude an der Beschäftigung mit der plattdeutschen Muttersprache und dem Wiederentdecken längst vergessen geglaubter Wörter und Wendungen gewinnen die Mitglieder des Arbeitskreises interessante volkskundliche Einblicke.