Geschichte der Einrichtung

Bis Januar 2010 befand sich das Institut am Schillerplatz

Die Einrichtung ist aus dem Nachlass Richard Wossidlos (1859-1939), des Begründers der Volkskunde Mecklenburgs, hervorgegangen. Wossidlo schuf eine volkskundliche Sammlung für ganz Mecklenburg, die bis heute im deutschen Sprachraum unübertroffen ist. Auch europaweit ist ihr nur wenig Vergleichbares zur Seite zu stellen. Ihr Wert liegt in der zentralen Erfassung des mündlichen Repertoires der Mecklenburger, das Wossidlo von 1883 bis 1939 selber vor Ort oder mit vielen Helfern zusammentrug. Seine plattdeutschen Aufzeichnungen, die quellenkritischen Maßstäben bis heute weitgehend standhalten, dienten zugleich dem „Mecklenburgischen Wörterbuch“ als Materialgrundlage. 1929 wurde eine „Wossidlo-Stiftung“ ins Leben gerufen.

Mitglied ihres Kuratoriums war der Rostocker Studienrat Dr. Paul Beckmann (1888-1962), der in den dreißiger Jahren als Sprach- und Sagenforscher mit Wossidlo eng zusammenarbeitet hatte. Auf sein Betreiben wurde der geistige Nachlass Wossidlos, der während des Krieges im Schweriner Schloß eingelagert war, 1952 in die Hansestadt überführt. Die zwei Millionen Belege umfassende Zettelsammlung Wossidlos und dessen volkskundliche Bibliothek schufen so die Grundlage der am 4. Mai 1954 gegründeten „Wossidlo-Forschungsstelle“. Sie war als Außenstelle dem „Institut für deutsche Volkskunde“ der „Deutschen Akademie der Wissenschaften“ zu Berlin zugeordnet und betreute fortan „die drei Nordbezirke“ (Schwerin, Rostock, Neubrandenburg), also das Territorium beider Landesteile. – Die Arbeit der 1929 am Institut für Germanistik der Universität Greifswald gegründeten volkskundlichen Landesstelle war im Grunde schon im Krieg mit dem Tod Karl Kaisers (1906-1940) zum Erliegen gekommen. Von 1959 bis 1975 übernahm Dr. Karl Baumgarten (1910-1989), ehemaliger Schüler Wossidlos, die Leitung. Seine Forschungen zum niederdeutschen Hallenhaus, für die er das „Archiv zur ländlichen Volksarchitektur Mecklenburgs“ zusammentrug, wurden international bekannt. Nachfolger wurde der Germanist Prof. Dr. habil. Ulrich Bentzien (1934-1987), der durch vielseitige Forschungen, besonders in der Agrarethnographie, der Lied- und Rätselforschung und auf diversen Gebieten der Volkskunde Mecklenburgs und Vorpommerns ausgewiesen war. Von 1988 bis 1999 stand Dr. Siegfried Neumann (geb. 1934) der Einrichtung vor, der sich vor allem als Erzähl- und Sprichwortforscher internationalen Ruf erworben hat. 2001 wurden seine wissenschaftlichen Leistungen mit dem Titel einer Honorarprofessur gewürdigt.

Mit dem Zusammenbruch der Akademie verlor die Forschungsstelle ihre institutionelle Zuordnung, die erst 1999 mit der Eingliederung in die Universität Rostock wiedergewonnen wurde. Zwischenzeitlich wurde die Einrichtung unmittelbar vom Land finanziert und auf Initiative von Prof. Rolf Wilhelm Brednich (Universität Göttingen) in ein Drittmittelprojekt der Göttinger Akademie der Wissenschaften eingebunden (Arbeitsstelle „Enzyklopädie des Märchens“). Am 1. Januar 1999 wurde die Forschungsstelle in die Universität Rostock integriert. Die Leitung der nun vermehrt auch Lehraufgaben und öffentliche Dienstleistungen umfassenden Institution hat seit 1999 der Volkskundler Dr. Christoph Schmitt (geb. 1956) übernommen. Im März 2000 wurden die Archiv- und Bibliotheksbestände der ehemaligen Arbeitsstelle des „Mecklenburgischen Wörterbuchs“ übernommen.

Text: Dr. Christoph Schmitt